Fotos aus dem Seminar
Hier finden Sie weitere Informationen zu unserem Seminar
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Geschichte erleben
Ein Seminarangebot für behinderte Menschen und Studierende
Historische und ethische Fragestellungen in Bezug auf den Umgang und die Deutung von Behinderung im gesellschaftlichen Kontext sind zentraler Bestandteil des Studiums angehender Sonderpädagog*innen und ein Teil ihres zu erwerbenden Professionsverständnisses. Denn sie sind dazu angehalten, zu diesen Fragen begründet Stellung beziehen zu können, um die Rechte von Menschen mit Beeinträchtigungen in unserer Gesellschaft zu legitimieren und ihre Durchsetzung unterstützen zu können.
In aktuellen Debatten zu den Rechten von behinderten Menschen wird immer wieder auch auf die NS-‚Euthanasie’-Aktionen Bezug genommen bzw. die Frage nach der Berechtigung von ,Euthanasie‘ und dem Zusammenhang zur Eugenik gestellt. Beispiele dafür sind die Entscheidung über die befristete Freigabe der Präimplantationsdiagnostik durch den Deutschen Bundestag im Jahr 2011 oder die Verleihung des Giordano Bruno Preises an den australischen Bioethiker Peter Singer, der provokante Thesen zur (Früh)Euthanasie behinderter Säuglinge vertritt. Damit gehen auch neuere gesetzliche Veränderungen, die das Berufsbild der Förderschullehrkraft grundlegend verändern, einher.
Aufgaben der Beratung und Begleitung bei der Entwicklung individueller Lebensentwürfe gewinnen in allen Berufsfeldern an Bedeutung. Damit steigen die Anforderungen an die Fachlichkeit der Studierenden: Die Fähigkeit, sich komplexe Inhalte selbständig zu erarbeiten, sie verständlich aufzubereiten und dabei nicht nur die eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten von Gesprächspartnern, sondern auch ihre eingeschränkten Lebenserfahrungen und Möglichkeiten zur Informationsgewinnung zu berücksichtigen, wächst. Zur Umsetzung einer inklusiven Schule fordern Berufsverbände (z.B. GEW, VDS) eine umgehende Anpassung der Studiengänge.
Das seit dem Wintersemester 2012/13 stattfindende Studienprojekt fokussierte die hier genannten Anforderungen: Im Rahmen dieses Seminarkonzeptes setzten sich Studierende des Unterrichtsfaches Sachunterricht für das Lehramt an Förderschulen und Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung mit dem Umgang mit Behinderung während der NS-Zeit auseinander. Bis 2016 fand im Rahmen des Seminars eine Exkursion zur Gedenkstätte Hadamar (Hessen) statt. Dort befindet sich die älteste deutsche Gedenkstätte speziell für die Opfer der NS-‚Euthanasie’, die im Rahmen der sogenannten ,T4-Aktion‘ im Jahr 1941 durchgeführt wurde.
Seit dem Sommersemester 2016 führt die Exkursion zur Gedenkstätte der Opfer der ´Euthanasie´-Morde in Brandenburg/Havel und wird mit einem Besuch des Otto Weidt-Museums in Berlin verknüpft.
Ziel des Seminars ist es, gemeinsame Lernerfahrungen zu sammeln.
Denn der Fokus des Projekts richtete sich u. a. auf Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit Behinderung, der Anpassung des Tempos, des Sprachniveaus, des Abstraktionsgrades, Erfahrung der Relevanz und inhaltlichen Bedeutung der Beiträge von Menschen mit Behinderung zu einem derartigen Thema.
Besondere Relevanz erhält auch die Bewusstmachung und Reflexion der eigenen (professionellen) Haltung und damit verbundenen Vorstellungen und Vorurteilen gegenüber Menschen mit Behinderung.
2017 wurde das Lernformat der gemeinsamen Seminare („Politik und Inklusion – Einmischen und Mitentscheiden“ & „Geschichte erleben“) mit dem Preis für besonderes Engagement in der Lehre der philosophischen Fakultät ausgezeichnet.
Alice Junge, Bettina Lindmeier, Claudia Schomaker -
Informationen über das Seminar in einfacher Sprache
Geschichte erleben: Gemeinsam lernen an der Uni
Im Seminar „Geschichte erleben“ arbeiten behinderte Menschen und Studierende zusammen.
Das Seminar findet in einfacher Sprache statt.
Alle sollen mitreden können.
Was ist das Thema des Seminars?
In diesem Seminar lernen Studierende der Sonderpädagogik und behinderte Menschen etwas zum Thema Nationalsozialismus.
Es geht um die Geschichte von Deutschland.
Im Seminar kann man lernen
- wie es zu dieser Zeit kam.
- was damals passiert ist.
- was heute anders ist.
Wir beschäftigen uns auch damit, wie die Rechte von behinderten Menschen in dieser Zeit eingeschränkt wurden.
Im Seminar haben wir die Erfahrung gemacht:
- Viele Teilnehmenden wissen schon eine Menge über den Nationalsozialismus.
- Sie haben zum Beispiel in der Schule etwas dazu gelernt.
- Manche erinnern sich aber nicht mehr genau oder haben nur wenig darüber gehört.
Im Seminar sprechen wir über diese Zeit, stellen uns Fragen und suchen Antworten.
Wir beschäftigen uns auch mit Lebensgeschichten von Menschen, die während dieser Zeit gelebt haben.
Immer wieder sagen Teilnehmende im Seminar:
„Ich dachte, ich weiß schon viel über die NS-Zeit.
Aber ich habe noch etwas Neues gelernt.
Ich wusste gar nicht, wie viel Unrecht einigen Menschen passiert ist.
Das ist schlimm.
Es ist wichtig, darüber Bescheid zu wissen und sich daran zu erinnern!
Jedes Leben ist wertvoll!“
Gemeinsames Lernen von Studierenden und behinderten Menschen
Gemeinsam lernen ist anders.
Studierende und behinderte Menschen sind Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Seminare.
Sie arbeiten zusammen.
Das Arbeitstempo und die Sprache müssen manchmal verändert werden.
Man kann viel voneinander lernen.
Man lernt den anderen besser zu verstehen.
Und alle lernen viel Neues über das Thema.
Wie meldet man sich an?
Auf unserer Internetseite gibt es einen Anmeldebogen.
Den finden Sie hier.
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Stimmen aus dem Seminar
Es gibt einen Film über unser Seminar.
Er ist von 2013.
Wir haben viel an dem Seminar verändert seitdem.
Trotzdem gibt er einen kleinen Eindruck.
„Die Unterkunft war sehr gut. Die Gruppenaktivitäten haben sehr viel Spaß gemacht. Die Arbeit an den Biografien war interessant.“
„Es war mit Abstand das beste Seminar, was ich in meinem ganzen Bachelor hatte, würde ich behaupten. Es hat einfach MEGA viel Spaß gemacht. Also das beste war natürlich die Exkursion. Ich war ganz schön erstaunt, dass das doch so bedrückend ist, wenn man da ist. Aber es war so schön zu sehen, dass man zu so einer Gruppe gewachsen ist, dass ich echt so gedacht hab, DAS ist wirklich inklusiv, was wir hier machen, das war richtig schön, weil alle miteinander waren und es war eine richtig, richtig schöne Gruppe, die sich entwickelt hat.“
„Zum Gruppengefühl: Das fand ich wirklich, wirklich toll, wie sich das entwickelt hat, unter den Studenten, mit den Menschen mit Behinderung, das hat sich wirklich zu einem guten Miteinander entwickelt.“
„Und dann habe ich auch gemerkt, dass jetzt rein neben der Thematik, auch diese Lerngruppe ganz interessant war. Das war mir aber vorher gar nicht so bewusst, als ich in das Seminar gegangen bin, dass ich so quasi Inklusion erlebe. Und so im Nachhinein war das eigentlich das Coolste daran, dass man so was mal erlebt hat. Von daher, ja, es war SCHÖN.“
„Das in der Gedenkstätte war sehr gut. Weil sie alles erklärt haben. Der Film war auch gut.“
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Publikationen
Junge, A. & Schomaker, C. (2018): „Geschichte erleben“ – historisches Lernen im Kontext inklusiver Hochschulbildung. In A. Langner (Hrsg.), Inklusion im Dialog: Fachdidaktik – Erziehungswissenschaft – Sonderpädagogik (S. 287-293). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Lindmeier, B., Meyer, D. & Junge, A. (2017). Entwicklung inklusionssensibler Hochschulen: Theoretische und empirische Zugänge. In B. Lütje-Klose, M.-A. Boger, B. Hopmann & P. Neumann (Hrsg.), Leistung inklusive? Inklusion in der Leistungsgesellschaft. Band I: Menschenrechtliche, sozialtheoretische und professionsbezogene Perspektiven (S. 265-274). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Schomaker, C. & Lindmeier, B. (2015). ‚Auf Spurensuche’: Erinnern an NS-‚Euthanasie’-Verbrechen – die Umsetzung eines inklusiven Projekts. In: Grundschulunterricht 62, 3, 22-26.
Schomaker, C. & Lindmeier, B. (2014). „Was wäre mit mir passiert, wenn ich damals gelebt hätte?“ Einblicke in ein Studienprojekt zum Umgang mit Menschen mit Behinderungen während der NS-Zeit in inklusiven Lerngruppen. In: www.widerstreit-sachunterricht.de, Nr. 20, April 2014.
Schomaker, C. & Lindmeier, B. (2014). „Gut, dass wir damals nicht gelebt haben, sonst wären wir alle schon tot!“ Inklusive historische Bildung zum Thema der NS-‚Euthanasie’-Verbrechen. In: Sonderpädagogische Förderung heute, 1/2014, 73-91.
Schomaker, C. & Lindmeier, B. (2014). „Ich hätte nicht gedacht, dass hier Diskussionen auf diesem Niveau möglich sind!“ – Einblicke in ein inklusives Studienprojekt aus einer hochschuldidaktischen Perspektive. In D. Blömer, M. Lichtblau, A. Jüttner, K. Koch, M. Krüger & R. Werning (Hrsg.), Perspektiven auf inklusive Bildung. Gemeinsam anders lehren und lernen (S. 114-119). Berlin: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Aktuelles
Aktuell bieten wir das Seminar „Geschichte erleben“ nicht an.
Ein weiterer Seminardurchgang ist in der nächsten Zeit aber geplant.
Wir informieren an dieser Stelle rechtzeitig darüber.
Informieren Sie sich gern auch über unser alternatives Seminarangebot „Philotastisch".
Kontakt
30159 Hannover
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