Über das Seminarkonzept
„Es war wie Vergnügen, das Zusammensein miteinander, zusammen sein und sich unterhalten, weil man neue Leute kennengelernt hat,... wie es denen geht, was die so machen, was ich so mache.“
So beschreibt eine behinderte Teilnehmerin die gemeinsamen Seminare für behinderte Menschen und Studierende. Diese finden seit dem Sommersemester 2012 am Institut für Sonderpädagogik in der Abteilung Allgemeine Behindertenpädagogik und Soziologie statt und richten sich an Studierende des 3. Semesters BA Sonderpädagogik, FüBa Studierende und (geistig) behinderte Erwachsene ohne Hochschulzugangsberechtigung. Die Seminargruppe besteht aus zehn bis 12 behinderten und 12 bis 18 studentischen Teilnehmenden. Letztere besuchen die Seminare im Rahmen ihres Studiums (zwei 2-stündige Seminare aus 2 Modulen werden zusammengefasst), erstere als Erwachsenenbildungsangebot.
Fotos aus dem Seminar
Fotos von der Ergebnispräsentation
Im unteren Teil dieser Seite finde Sie weitere Medien, die im Rahmen des Seminars entstanden sind – unter anderem die Filme, die aus der Arbeit der einzelnen Projektgruppen hervorgegangen sind.
Das Seminar besteht aus folgenden Elementen:
- Ein Vorbereitungskurs für die behinderten Teilnehmenden: Er dient dazu, den Lernort der Universität und universitäre Arbeitsformen kennenzulernen.
- ganztägige Seminarsitzungen zum Rahmenthema
- Bearbeitung selbst gewählter Themen in Projektgruppen und anschließende, öffentliche Präsentation der Ergebnisse: Die Gruppen werden durch Tutor*innen und die Seminarleitung begleitet.
- die Prüfungsleistung (Hausarbeit und Lerntagebuch zur Reflexion der eigenen Erfahrungen in der Zusammenarbeit)
Ziel ist es, allen Beteiligten inklusive Lernerfahrungen zu vermitteln. Diese Lernerfahrungen können eine positive Wirkung auf Kompetenzerleben und Selbstwirksamkeitserfahrung aller Beteiligten haben. Somit stellen die Seminare eine geeignete Möglichkeit dar, praxisrelevantes Wissen, Einstellungen und Kompetenzen in Bezug auf Inklusion zu erwerben. Es werden praktische Formen der Gestaltung von Arbeitsprozessen, Portfolios und andere Instrumente einer Didaktik verwendet, die genauso in inklusiven Schulen oder in der individullen Förderung Anwendung finden können. Zudem können die Teilnehmenden im Seminar selbst neue, inklusive Lernerfahrungen machen. In der Reflexion der Zusammenarbeit und der im Anschluss an das Seminar durchgeführten Prüfungsleistung der Studierenden, werden die im Seminar erworbenen Erfahrungen mit theoretischen Studieninhalten in Verbindung gebracht.
Die Seminare stehen unter dem Rahmenthema „Politik und Inklusion: Einmischen und mitentscheiden“, das gerade angesichts der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Situation für die gesamte Gruppe einen relevanten Lerngegenstand darstellt. 2017 wurde das Lernformat gemeinsam mit dem Seminar: „Geschichte erleben“ mit dem Preis für besonderes Engagement in der Lehre von der philosophischen Fakultät ausgezeichnet. Die Konzeption ist fachübergreifend angelegt, wird laufend weiterentwickelt und hat u.a. zu einer Praxiskooperation mit der Bundeszentrale für politische Bildung geführt.
Dr. phil. Dorothee Meyer, Prof. Dr. Bettina Lindmeier
Weitere Informationen in einfacher Sprache und Stimmen zum Seminar
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Informationen über das Seminar in einfacher Sprache
Politik und Inklusion: Gemeinsam lernen an der Uni
Im Seminar „Politik und Inklusion“ arbeiten behinderte Menschen und Studierende zusammen.
Die Seminare werden so gemacht, dass alle etwas verstehen können.
Studierende und behinderte Menschen arbeiten gemeinsam.
Im Seminar probieren wir Inklusion aus.
- Alle lernen etwas über Politik.
- Alle lernen etwas darüber,
wie man in einer inklusiven Gruppe zusammen lernen kann.
- Alle lernen etwas darüber, wie man Dinge so erklären kann,
dass alle aus der Gruppe sie verstehen.
Im Seminar kann man auch lernen,
- miteinander darüber zu sprechen, ob jemand Hilfe braucht oder nicht.
- Dass jeder etwas anderes weiß und andere Dinge erlebt hat.
- Wie es ist, Teil einer inklusiven Gruppe zu sein.
- Die Uni besser kennen zu lernen.
Das Thema des Seminars ist "Politik und Inklusion - Einmischen und Mitentscheiden"
Politik ist Handeln in Gruppen von Menschen.
Zum Beispiel in Vereinen oder im Stadtrat.
Politik legt Regeln und Entscheidungen für Gruppen fest.
Meistens sprechen wir dann von Politik, wenn es um die Regeln und Entscheidungen geht, die für alle gelten:
- in Europa,
- in Deutschland,
- in einem Bundesland
- oder in einer Stadt oder Gemeinde.
Wenn es um Politik geht, ist nicht wichtig:
- Ist jemand behindert?
- Ist jemand nicht behindert?
Alle Teilnehmer im Seminar haben das Recht, sich politisch einzumischen und mitzuentscheiden.
Viele Teilnehmer im Seminar wissen wenig über Politik.
Im Seminar lernen wir gemeinsam über Politik:
- Was ist Politik?
- Was ist Inklusion?
- Wie kann man sich in die Politik einmischen und mitentscheiden?
- Was ist Demokratie?
Zusammenarbeit in einer Gruppe
Inklusion im Seminar bedeutet:
Lernen in einer Gruppe, zu der Studierende und behinderte Menschen gehören.
In dieser Gruppe soll jeder mitarbeiten können. Egal, ob es die große Seminargruppe ist
oder eine kleine Arbeitsgruppe, in der 3-5 Leute zusammen arbeiten.
Jeder kann einen Beitrag leisten. Zusammenarbeit in einer Gruppe ist nicht immer leicht.
Auch im Seminar müssen Regeln für Gruppen gefunden werden.
Wie in der Politik.
So hat Arbeit in inklusiven Gruppen mit Politik zu tun.
Deswegen wird im Seminar über die Arbeit in Gruppen gesprochen.
- Was lief gut in der Gruppe?
- Was lief schlecht in der Gruppe?
- Wer hat die Gruppe geleitet?
- Wer hat nicht so viel gesagt?
Wann ist das Seminar?
Das Seminar gibt es seit dem Jahr 2012 jedes Jahr.
Das Seminar findet an der Leibniz Universität Hannover statt.
Das Seminar dauert ungefähr von September bis Februar.
Freitags sind die Seminartage.
Ein Seminartag geht von 10 Uhr bis 15 Uhr.
Vorbereitung auf das Seminar
Vor dem Seminar gibt es einen Kurs für die behinderten Teilnehmer und Teilnehmerinnen.
Der Vorbereitungskurs hat zwei Termine.
Im Vorbereitungskurs lernen Sie die Universität kennen:
- Zum Beispiel den Seminarraum oder die Toilette.
- Oder die Mensa. Da kann man Mittag essen.
- Sie wissen, wie ein Seminartag ist.
- Sie lernen andere Teilnehmer kennen und die Seminarleitung.
- Sie lernen schon einmal etwas über Politik.
Außerdem können Sie überlegen, ob Ihnen das Seminar gefällt.
So wissen Sie gut Bescheid, wenn das gemeinsame Seminar beginnt.
Sie müssen nicht so oft die Studierenden fragen.
Die Projekt-Arbeit
Es gibt nicht nur Seminare in der großen Gruppe.
Sie arbeiten auch in kleinen Gruppen.
Diese Gruppen haben sich ein Thema ausgesucht.
Die Gruppen interessieren sich für das Thema und wollen dazu arbeiten.
Zum Beispiel:
- die Menschenrechte,
- Inklusion und Disney,
- die Bundestagswahl,
- die Üstra,
- Selbstbestimmung,
- Diskriminierung,
- politische Personen
Alles hat etwas mit Politik und Inklusion zu tun.
Die Gruppen arbeiten zusammen an ihrem Thema.
Das heißt Projektarbeit.
Für die Projektarbeit ist an vier Freitagen Zeit.
Präsentation der Ergebnisse
Die Projektgruppen haben ein Ergebnis.
Das Ergebnis kann ein Buch sein, ein Film, ein Plakat oder etwas anderes.
Das Ergebnis wird in der Uni bei einer Präsentation gezeigt.
Dann werden alle eingeladen, die gern kommen wollen.
Wie meldet man sich für das Seminar an?
Sie bekommen Informationen über das Seminar im Wohnheim,
in der Werkstatt oder in einer Vorlesung in der Universität.
Sie können sich auch hier die Anmeldung ausdrucken
Sie können auch bei Dorothee Meyer anrufen
oder eine E-Mail schreiben.
E-Mail: dorothee.meyer@ifs.uni-hannover.de
Telefon: 0511 / 762-1738
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Stimmen zum Seminar
Inklusion
„Uns war das gar nicht mehr so bewusst, wer jetzt Studierender ist und wer nicht. In unserer Gruppe haben wir da auch gar nicht so Rücksicht drauf genommen. Wir haben an alle gleiche Aufgaben verteilt und das hat auch funktioniert. Und wir haben uns halt alle einfach so wahrgenommen wie wir waren.“
„Ich glaube, es ist auch wichtig, dass alle Leute auch Inklusion leben wollen, weil an vielen Stellen brauchen Menschen irgendwie Hilfe und dann ist man darauf angewiesen, dass jemand sofort einspringt. Und ich finde, das hat hier auch sehr gut geklappt in dem Seminar und das liegt auch daran, dass viel Organisation und Freiwilligkeit auch dahintersteckt.“
„Man hat gelernt aufeinander zuzugehen und die Barrieren, die man so im Kopf hat abzubauen, um miteinander arbeiten zu können.“
Arbeitsatmosphäre
„Diese Offenheit, mit der man aufeinander zugegangen ist und … zu sagen, wenn einem was nicht passt, … dass man auch so von seinen eigenen Problemen erzählt, das finde ich, wird in anderen Uni Seminaren ganz häufig ausgeklammert. … Das war irgendwie schön, dass keiner wegen irgendwas ausgelacht wurde oder … jede Frage gestellt werden konnte.“
„Ich fand das gut, dass alle offen gesagt haben, wo sie Unterstützung brauchten, was sie nicht so gut konnten. Das habe ich bei Daniela erfahren. Die hat gesagt, (…) das kann ich nicht, da brauche ich Hilfe und das war eine klare Ansage. (…). Dann hat es auch geklappt und wir haben die Arbeit wieder in den Griff bekommen. Das ging aber auch nur, weil wir eben so offen miteinander geredet haben.“
„Besonders gerne mochte ich die herzliche und entspannte Atmosphäre, die während des gesamten Seminars herrschte und dass es eine Abwechslung zu anderen Seminaren war, in denen man ausschließlich theoretische Erfahrungen sammelt. In diesem Seminar habe ich dafür umso mehr praktische Erfahrungen über den Umgang mit Menschen mit Behinderungen und inklusiver Arbeit sammeln können – eine Chance, von der ich froh bin, sie genutzt zu haben.“
Gruppe
„Wir haben uns schon auch in so einer Zwischenrolle gefühlt. Als Studierende, die an dem Seminar teilnehmen und als Assistenz hier. Wo man viel mehr mitkriegt wenn die Gespräche mal abschweifen hier in der Gruppe.(…) dass es dann auch schwierig ist, wenn man nicht genau weiß in welcher Rolle man ist. (…)“
Seminarstruktur
„Ich war am Anfang skeptisch, weil dies ja eine unübliche Seminarlänge ist. Normalerweise hat man Seminare immer nur 90 Minuten (…) Die vier Stunden am Stück haben mich zu Beginn ein wenig abgeschreckt (…) Tatsächlich wurde ich aber positiv überrascht. Im Vergleich zu den 90-minütigen Seminaren ist die Zeit hier wie im Flug vergangen, denn die Technik wurde vielfältig eingesetzt. (…) Wir waren im Allgemeinen sehr kreativ, es war immer eine Abwechslung da (…), weshalb die Zeit sehr gut, sehr kreativ und auch motivierend ausgenutzt wurde.“
Präsentation
„Was war an der Präsentation gut?“ – „Dass alle Leute gekommen sind, die ich eingeladen habe … ich habe ja auch so zum Seitentisch hingeguckt, da saßen ja die Leutchen von uns.“ - „Und wie war das, als die Präsentation vorbei war, was war das für dich für ein Gefühl?“ - „Gutes“ – „Erleichterung oder Stolz oder zufrieden, oder?“ - „Alle drei Dinge auf einmal.“
Einmischung
„Also ich sags immer so: Politik lebt vom Mitmachen und mitmachen tun alle Menschen, die eine Meinung haben. Jeder hat hier seine eigene Meinung und das find ich gut.“
„Zum Beispiel, dass Einmischung echt wichtig ist. Information, hinterfragen von Informationen und das es auch immer nötig ist, viele Meinungen einzuholen. Sich nicht nur auf zwei drei Leute zu verlassen, sondern auf viele. Und dass man halt auch immer mit-reden muss, man muss auch mal sagen, ich verstehe das nicht, bitte erklärt es mir nochmal. Weil das gerade für Menschen wie mich, die eine Behinderung haben, man traut sich nicht, nochmal nachzufragen, weil man möchte nicht für dumm gehalten werden. Aber das ist falsch, man muss so oft nachfragen, wie man kann, damit die Leute merken, wir müssen es noch verständlicher erklären.“
Behinderungsbegriff
„Mein Fokus bei der Definition von Behinderung vor der Seminararbeit lag vor allem darin, dass behinderten Menschen durch fehlende Körperfunktionen und Strukturen in bestimmen Lebenssituationen beeinträchtigt sind. Nach der Seminararbeit ist mit vor allem klargeworden, in wie weit Umweltfaktoren mit Behinderung im Zusammenhang stehen. Eine Schlüsselsituation hierfür war es, als ein Seminarteilnehmer einen deutlichen Umweg über die Rollstuhlrampe nehmen musste und daher zu spät zum Seminar kam. Die Umweltbedingungen, in diesem Fall die Rollstuhlrampe welche sich nicht beim Haupteingang des Gebäudes befindet, war Grund dafür, dass der Seminarteilnehmer behindert wurde.“
Menschen mit Behinderung und Politik
„Noch nie habe ich so viel Interesse an Politik entwickelt und noch nie „nebenbei“ so viel gelernt! Seit diesem Seminar haben sich meine Denkweisen und Verhaltensweisen hinsichtlich dessen verändert, dass ich Menschen mit Behinderung ernster nehme und ihnen mehr Mitbestimmung ermögliche!“
Leichte Sprache
„Ich habe hier zum ersten Mal über Leichte Sprache gehört, da habe ich vorher noch nichts drüber gewusst, da habe ich mich noch nicht mit beschäftigt. Das habe ich dazu gelernt.“
Persönliche Erfahrungen
„Das was wir hier erlebt haben, das nimmt man einfach lange, lange Zeit mit. Auch für sich selbst.“
„Wir haben einfach ganz viel ausprobiert in der Gruppe, wie wir zum Beispiel am besten zusammenarbeiten können, vielleicht ist das auch nochmal wichtig das man ein bisschen über den Tellerrand hinausschaut und einfach erstmal ausprobiert und ähm vielleicht gibt es von Anfang an nicht die Lösung oder das Ziel.“
Mediathek
Infofilm Gemeinsam lernen
Film zu Lebensläufen und Lebensgeschichten
Film zu Barrierefreiheit
Die hier eingestellten Filme entstanden im Rahmen des Seminars Gemeinsam lernen. Das Urheber*innenrecht liegt bei den am Seminar beteiligten bzw. den in / an den Filmen mitwirkenden Personen.