1. Welcher beruflichen Tätigkeit gehen Sie aktuell wo nach? Können Sie einen Einblick in Ihre Aufgaben(-bereiche) geben?
Ich bin Mitarbeiterin in einem Büro für Leichte Sprache. Meine Aufgaben sind primär das Übertragen von Texten von Standardsprache in Leichte oder Einfache Sprache. Hinzu kommt die Prüfung der übertragenen Texte mit Menschen mit Behinderung. Durch die Prüfung soll sichergestellt werden, dass der übertragene Text wirklich verständlich für den Personenkreis ist, den dieser erreichen soll. Parallel mache ich eine Weiterbildung in Systemischer Therapie und Beratung. In der Weiterbildung führe ich eigenständig Beratungen mit Klient*innen zu verschiedenen Themen von der Berufsorientierung bis zum Umgang mit psychischer Erkrankung in der Familie durch. Innerhalb der Weiterbildung hat sich bei mir die Haltung gefestigt, dass ein Verhalten, so problematisch es auch gesehen werden mag, nicht singulär auf eine Person, sondern immer auf die Wechselwirkungen in einem System, zurückzuführen ist. Außerdem gebe ich als Lehrbeauftragte Seminare zum Thema Selbst- und Fremdbestimmung im Kontext von Geschlecht und Behinderung. Dieser Themenschwerpunkt resultiert aus meiner Masterarbeit und beschäftigt mich weiterhin sowohl beruflich als auch privat. Gerade mit dem Blick auf Inklusion ist es wichtig, verschiedene Differenzkategorien und intersektionale Diskriminierung mitzudenken.
2. Sie haben den Masterstudiengang Sonderpädagogik und Rehabilitationswissenschaften mit dem Studienschwerpunkt Lernförderung und Erziehungshilfe an der Leibniz Universität Hannover studiert. Warum haben Sie sich für diesen Masterstudiengang als konsekutiven Studiengang zu Ihrem Bachelor entschieden?
Ich habe meinen Bachelorabschluss in Heilpädagogik gemacht und damit einen Grundstein für außerschulische Arbeit gelegt. Da ich mir die Möglichkeit einer Promotion offen halten wollte, erschien es mir sinnvoll, zum Master an eine Universität zu wechseln. Heilpädagogik wird bislang nicht an Universitäten gelehrt. Daher habe ich nach verwandten Studiengängen gesucht und bin auf den außerschulischen Master in Sonderpädagogik an der LUH gestoßen. Hier haben mich besonders die Themenfelder Diagnostik und Beratung angesprochen.
3.1 Welche Studieninhalte haben Sie während des Studiums besonders begleitet oder besonders angesprochen/geprägt?
Die Bereiche Diagnostik, Beratung und Forschung haben mich im Studium geprägt und in meiner ersten Stelle nach dem Studium begleitet. Nach dem Masterabschluss habe ich etwa dreieinhalb Jahre in einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie gearbeitet. Dort habe ich Intelligenztests, Leistungstests zu Teilleistungsstörungen und weitere Verfahren angewandt. Zudem war ich beratend tätig und habe mit Kindern und ihren Eltern Problemlagen und Veränderungsmöglichkeiten thematisiert. Aufbauend auf dieser Tätigkeit hat sich der Wunsch entwickelt, mich in der Beratung weiterzubilden. Die systemische Beratung habe ich im Studium kennengelernt und den konstruktivistischen Ansatz als für mich passend erlebt. In meiner Weiterbildung kann ich die Grundkenntnisse aus dem Studium vertiefen und lerne, sie in Beratungssituationen praktisch anzuwenden. Das wissenschaftliche Arbeiten und die Forschung habe ich vor allem im Forschungsprojekt (Modul LE2) für mich entdeckt. Ich habe mit einer Dozentin angebunden an ihr Promotionsprojekt zur partizipativen Forschung gearbeitet. Der inklusive Gedanke dieser Forschungsrichtung gefällt mir besonders. Das führte mich zu den Themen Selbst- und Fremdbestimmung im Kontext von Behinderung und Geschlecht. Die Themen Selbstbestimmung sowie die Macht- und Ohnmachtsverhältnisse in denen sich Menschen mit Behinderung bewegen, beschäftigen mich aktuell ebenfalls in meiner Tätigkeit im Büro für Leichte Sprache. Die Übertragungen sind dazu gedacht, Informationen zu verbreiten, um Menschen mit (kognitiver) Behinderung Partizipation und Teilhabe zu ermöglichen.
3.2 Sofern dies nicht schon genannt wurde: Von welchen Projekten oder Praktika haben Sie besonders profitiert?
Ich habe besonders von meinem Praktikum in einer Tagesförderstätte profitiert. Dort habe ich mich mit Partizipationsmöglichkeiten der dort beschäftigten Menschen mit Behinderung befasst. Für mich war es die erste mehrwöchige Praxiserfahrung mit erwachsenen Menschen mit Behinderung.
4. Haben Sie schon vor oder während des Studiums eine Vorstellung über Ihren weiteren beruflichen Werdegang nach dem Studium gehabt? Und wie lief der Übergang vom Studium in den Beruf bei Ihnen ab?
Ich habe mir schon während des Bachelorstudiums gewünscht, im diagnostischen Bereich mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. Eine Überlegung war, zu promovieren. Das kam für mich nach dem Masterstudium allerdings nicht direkt in Frage. Mir war zunächst wichtig, Praxiserfahrungen zu sammeln.
Leider war die Suche nach der ersten Stelle sehr durch die Corona-Pandemie beeinflusst. Durch meine Tätigkeit in einer sozialpsychiatrischen Praxis, hat sich der Wunsch, diagnostisch zu arbeiten, schließlich erfüllt.
Für mich kam dann der Punkt, an dem ich nicht mehr in dem engen Rahmen arbeiten wollte, den die Krankenkassen in der Praxis finanzieren. Daher habe ich mich beruflich umorientiert und bin nun sehr froh, meine Erfahrungen um den Bereich der Leichten Sprache zu erweitern.
5. Was würden Sie Studieninteressierten und Studierenden des Masterstudiengangs gerne mitgeben?
Für mich war es schwierig, mich nach dem Abschluss zu orientieren. Der Masterstudiengang beinhaltet ein breites Feld an Möglichkeiten. Gleichzeitig sind Stellenanzeigen nicht auf diesen Abschluss ausgerichtet. Ich würde raten, mutig zu sein und sich auf verschiedene interessante Stellen zu bewerben. Im persönlichen Kennenlernen können die erlernten Kompetenzen hervorgehoben werden. Besonders im Hinblick auf das Ziel einer inklusiven Gesellschaft, hat der Studiengang eine wichtige Funktion. Denn: Inklusion gehört nicht nur in die Schule, sondern geht alle an.