1. Welcher beruflichen Tätigkeit gehst Du aktuell wo nach? Kannst Du einen Einblick in Deine Aufgaben(-bereiche) geben?
Aktuell arbeite ich als Koordinatorin einer pädagogisch-therapeutischen Wohngruppe. Meine Tätigkeit hat zwei Schwerpunkte. Mit einer halben Stelle arbeite ich regulär im Gruppendienst, dies beinhaltet die Betreuung, Begleitung und Stabilisierung von Jugendlichen mit psychischen Belastungen im Alltag. Die andere Hälfte meines Stellenanteils beinhaltet die Koordination oder Organisation der Wohngruppe. Ich bin verantwortlich für die Dienstplanung und die Gelder der Wohngruppe, nehme an Krisengesprächen mit z. B. Jugendlichen oder Jugendämtern teil, leite neue Mitarbeitende an und bin für die Aufnahme und Entlassung von Jugendlichen zuständig. Darüber hinaus bin ich Ansprechpartnerin für die MitarbeiterInnen bei Fragen, Anliegen oder Problemen, leite Teamsitzungen und organisiere das gruppentherapeutische Angebot. Ebenso gehört die Netzwerkarbeit mit Kliniken, Jugendämtern und sonstigen Institutionen zu meinen Aufgaben.
2. Du hast den Masterstudiengang Sonderpädagogik und Rehabilitationswissenschaften mit dem Studienschwerpunkt Lernförderung und Erziehungshilfe an der Leibniz Universität Hannover studiert. Warum hast Du Dich für diesen Masterstudiengang als konsekutiven Studiengang zu Deinem Bachelor entschieden?
Mit meinem Bachelor im außerschulischen Bereich habe ich eine Wissensbasis geschaffen. Durch den konsekutiven Master hatte ich den Vorteil, an bisherige Inhalte anknüpfen, sie ausbauen und weiterentwickeln zu können. Hätte ich mich für einen Masterstudiengang in einer anderen pädagogischen Fachrichtung entschieden, hätte ein reibungsloser Anschluss an das Bachelorstudium möglicherweise nicht geklappt. Zudem haben mir die Inhalte des Masters gut gefallen und ich sah darin eine Qualifikation für meine berufliche Laufbahn.
3. Welche Studieninhalte haben Dich während des Studiums besonders begleitet oder besonders angesprochen/geprägt?
Nachhaltig beeinflusst hat mich die Haltung zum und Sicht auf den Menschen, die im Studium vermittelt wurde. Ich habe gelernt immer den Menschen in seiner individuellen Situation zu sehen, meine Hilfe an seiner individuellen Situation zu orientieren und dabei stets die Fähigkeiten und Ressourcen im Blick zu behalten. Das hat sich in meiner bisherigen Arbeit als sehr wertvolle Haltung erwiesen. Es bereichert die Arbeit z.B. auch insofern, dass ich schon Unterschiede in der Herangehensweise zu meinen KollegInnen aus anderen Fachrichtungen bemerke. Diese verschiedenen Blickwinkel bereichern die gemeinsame Arbeit sehr.
Inhaltlich haben mir im Studium vor allem die praxisnahen Veranstaltungen gefallen, wie beispielsweise die Anwendung der projektiven Verfahren, die systemischen Seminare oder die Projekte, die man als Studentin begleiten konnte.
Und grundsätzlich habe ich am meisten von meinen Praktika profitiert. So konnte ich vielfältige Einblicke bekommen und während des Studiums viele Bereiche kennen lernen und herausfinden, was mir gefällt und was mir nicht gefällt. Durch eines der Praktika entwickelte sich eine Nebentätigkeit parallel zum Studium. So konnte ich theoretische Inhalte gut mit der Praxis verknüpfen. Später entwickelte sich daraus auch die Chance als pädagogische Mitarbeiterin in Vollzeit und nun als Koordinatorin tätig zu sein.
Ein weiterer Punkt den ich als profitabel angesehen habe, war das Engagement einiger Dozierender, in meinem Fall der betreuende Dozent meiner Abschlussarbeit. Dieser verschaffte mir die Möglichkeit einen Artikel in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen.
4. Hast Du schon vor oder während des Studiums eine Vorstellung über Deinen weiteren beruflichen Werdegang nach dem Studium gehabt? Und wie lief der Übergang vom Studium in den Beruf bei Dir ab?
Neben den diversen Praktika, die ich im Verlauf meines Studiums absolviert habe, war ich nach meinem Bachelorabschluss bei meinem jetzigen Arbeitgeber als Aushilfe tätig. So konnte ich während des Studiums bereits eine berufliche Richtung für mich finden.
Der Übergang vom Masterstudium ins Berufsleben war dennoch nicht reibungslos, da der Arbeitsmarkt zum Zeitpunkt meines Abschlusses wenig Jobmöglichkeiten bot und ich zudem die Erfahrung gemacht habe, dass nicht jede/r Arbeitgeber/in mit meiner beruflichen Bezeichnung etwas anfangen konnte oder eine staatliche Anerkennung vorausgesetzt wurde, die der Studienabschluss nicht vorsieht. Hier gilt es jedoch auch zu berücksichtigen, dass ich mit meinem Studienabschluss als Sonderpädagogin im klassischen Sektor der Sozialpädagogik arbeiten wollte und ich mich somit auf Startschwierigkeiten eingestellt hatte. Mit Beharrlichkeit konnte ich dennoch meine erste befristete Anstellung in einer Maßnahme der Arbeitsagentur, die mit belasteten jungen Müttern arbeitete, finden. Nach Endung der befristeten Stelle konnte ich bei dem Arbeitgeber, bei dem ich während des Studiums tätig war, eine befristete Tätigkeit aufnehmen, die dann in eine Festanstellung überging. Dort arbeite ich nun seit drei Jahren und seit einem halben Jahr habe ich die Koordination der Gruppe übernommen
5. Was würdest Du Studieninteressierten und Studierenden des Masterstudiengangs gerne mitgeben?
Ich würde den Studieninteressierten und Studierenden gerne mitgeben, dass man mit einem Studienabschluss in Sonderpädagogik mehr berufliche Möglichkeiten hat, als die zunächst offensichtlichen und klassischen Arbeitsbereiche, wie Schule und Forschung. Besonders das außerschulische Feld wird dabei zu wenig beachtet, ist aber nicht weniger wichtig. Denn Menschen mit Beeinträchtigung haben auch außerhalb der Schule ihre Beeinträchtigung und benötigen Menschen mit Fachkenntnissen, die sie im Alltag unterstützen. Das Feld der beruflichen Möglichkeiten ist daher weitaus vielfältiger als Forschung und Unterricht. Beispielsweise die Jugendhilfe, hier finden sich immer wieder Kinder und Jugendliche mit seelischen Beeinträchtigungen, Beeinträchtigungen im Sozialverhalten oder Lernbeeinträchtigungen. Die Sonderpädagogik kann die sozialpädagogische Arbeit im außerschulischen Sektor sinnvoll ergänzen und einen Beitrag zur Verbesserung der Betreuungsqualität leisten.
Ich finde es toll, wenn sich Studierende für diesen Studiengang entscheiden und so auch einen Beitrag dazu leisten, dass der außerschulische Bereich der Sonderpädagogik mehr Fachkräfte und so auch mehr Aufmerksamkeit erhält.